K106 Requiem Canticles
for contralto and bass soli, chorus and orchestra – Requiem-Gesänge * für Alt, Bass, vierstimmig gemischten Chor und Orchester – Requiem Canticles pour chœur et orchestre – Requiem Canticles per contralto e basso soli, coro misto a quattro voci ed orchestra
* ein deutscher Obertitel hat sich bis heute noch nicht eingebürgert.
Titel: Ursprünglich sollte das Stück >Sinfonia da requiem< heißen, einmal, um den hohen Instrumentalanteil zu kennzeichnen, der auch in der endgültigen Form rund die Hälfte der Spieldauer ausmacht, zum anderen, um Verwechslungen mit den historischen Konzert-Reqiem-Vertonungen zu vermeiden, und schließlich, um als Einlösung eines Kompositions-Versprechens zu gelten, das Strawinsky dem jungen Symphonie-Orchester von Princeton gegeben hatte.
Besetzung: a) Erstausgabe Vorspanntext: 3 Flutes (3rd doubling Piccolo), Alto Flute, 3 Bassoons, 4 Horns, 2 Trumpets, 3 Trombones, Timpani (2), Percussion (2; xylophone, vibraphone, bells), Harp, Pianoforte, Celesta, Strings [3 Flöten (3. abdeckend Piccolo), Altflöte, 3 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken (2), Schlagzeug (2; Xylophon, Vibraphon, Glocken), Harfe, Celesta, Streicher]; b) Aufführungsanforderungen: Alt-Solo, Bass-Solo, vierstimmig gemischter Chor (Sopran mit Solo, Alt mit Solo, Tenor mit Solo, Bass mit Solo), kleine Flöte (= 3. große Flöte), 3 große Flöten (3. große Flöte = kleine Flöte), Alt-Flöte, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 2 Tenor-Posaunen, Bass-Posaune, 5 Pauken*, Schlagzeug* (Xylophon, Vibraphon, Glockenspiel), Harfe, Klavier, Celesta, 2 Solo-Violinen, Solo-Bratsche, Solo-Violoncello, 2 Solo-Kontrabässe, Streicher (Erste Violinen, Zweite Violinen, Bratschen**, Violoncelli***, Kontrabässe).
* zwei Spieler.
** zweifach geteilt (nur Takt 235).
*** zweifach geteilt (nur Takt 58).
Aufführungspraxis: Die Pauken haben 5 Töne zu spielen, vier davon akkordisch; die Sprechtexte sollen möglichst triolisch angesetzt werden.
Partitur: Das Stück ist als Reformpartitur mit moderner Partituranordnung in verschobenen Blöcken mit Systembeschränkung auf die jeweils klingenden Stimmen aufgezeichnet; alle Instrumente sind in C notiert und klingen wie geschrieben, die kleine Flöte eine Oktave höher, die Kontrabässe eine Oktave tiefer.
Vertonungstext: Requiem ist das Incipit des Introitus der Totenmesse, die in der Jahreskreisordnung zum 2. November gehört, dem Tag ‚ Allerseelen ’. Der katholischen Praxis entsprechend gibt das Incipit eines Mess-Introitus der ganzen Messe ihren Namen. So heißt die Totenvotivmesse seit jeher Requiem , obwohl ihr richtiger Name Missa pro defunctis ( Messe für die Abgestorbenen ) ist und sie nach tridentinischem Ritus eine von mehreren Stations-Funktionen im Rahmen des Ordo exsequiarum innehat. Obwohl das Stück den Titel Requiem führt, vertonte Strawinsky nur die erst sehr viel später in die Totenmesse eingeführte und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wieder entfernte (Jacopo di Todi beziehungsweise Thomas von Celano, dem Biographen des heiligen Franz von Assisi, in beiden Fällen umstritten, zugeschriebene) Sequenz* (die ursprünglich möglicherweise ein Tropus zum Libera me war und aus dem Italien des 13. Jahrhundert stammte) Dies irae , und auch diese nicht ganz, sondern einige ausgewählte Strophenteile daraus, und nachfolgend das nach der Totenmesse zu singende Responsorium Libera me . Strawinsky übernahm den Requiem-Titel, obwohl er den klassischen Requiem-Introitus Requiem aeternam . . . gerade nicht vertonte. Dessen bedurfte es auch nicht, weil das Responsorium Libera me , mit dem er seine Komposition beendet, mit dem Anfangsvers des Requiem-Introitus ( Requiem aeternam dona eis Domine: et lux perpetua luceat eis ) schließt und Strawinsky ihn zum Solisten-Gesang chorisch sprechen ließ. Programmatisch war es bereits, dass Strawinsky aus dem (nicht vertonten) Messintroitus ausgerechnet den 2. Vers des 64. Psalms ( Exaudi . . . ) herausgriff, der sowohl im Introitus Requiem aeternam der Totenmesse als Psalmvers wie im Officium Defunctorum im Stundengebet der Laudes als Rahmenvers für die 2. Antiphon dient, und mit diesem seine Requiem-Gesänge beginnen ließ. Denn die Textstelle ‚ ad te omnis caro veniet ’ in der von Strawinsky gewählten tridentinischen Fassung ( zu Dir kommt alles Fleisch ), statt der neueren (. . . ‚ ad te omnis caro veniet propter iniquitatem ’ = Alle Menschen kommen zu Dir unter der Last der Sünden ) geht von der so schwer zu begreifenden Auferstehung des Fleisches aus, ohne die das Totenritual seinen eschatologischen Sinn verliert. Dass Strawinsky aber im Jahre 1965, als die katholische Kirche das Dies irae , das viele Jahrhunderte lang als typisches Merkmal katholischer Gläubigkeit galt, gerade aus dem Graduale Romanum entfernt hatte, gezielte Ausschnitte dieser Sequenz vertonte und dass er sich dabei der älteren Schreibweise mit j statt des lateinischen i bediente, legt seine theologische Vorstellung offen. – Das ihm vorliegende Original besteht aus 3 Strophengruppen mit je 3 Strophen aus 2 dreizeiligen Versen ( = einem Doppelvers) und einer Abschlussgruppe aus einem vierzeiligen und einem zweizeiligen Vers und dem Schluss-Amen. Strawinsky wählte daraus die erste Strophe ( Dies irae . . . ) ganz und von der zweiten nur den ersten Vers = Halbvers ( Tuba mirum . . . ). Den zweiten Vers und die ganze dritte Strophe ließ er unvertont. Nach dem Zwischenspiel setzte er den Text des zweiten Verses der vierten Strophe (1. Strophe der 2. Strophengruppe) ein ( Rex tremendae . . . ), ließ den Rest der zweiten Strophengruppe und die ganze dritte Strophengruppe wieder unvertont und schloss sein persönliches Dies irae mit der Abschlussgruppe ( Lacrimosa . . . ) einschließlich Amen . Strawinsky schied also jene Textstellen aus, deretwegen man im Zweiten Vatikanischen Konzil hauptsächlich den Sequenzentext als Ganzes in Frage gestellt hatte. Der Textteil zwischen Vor- und Zwischenspiel beschwört zwar das Jüngste Gericht, mündet aber, da Strawinsky die nachfolgenden Verse, die vom Vollzug des Gerichtes handeln, überschlägt, in die Bitte an den gütigen Jesus, den vom Gericht Betroffenen nicht fallen zu lassen. Die Sequenz verliert dadurch das Drohende und beschränkt sich auf die einfachen Fakten, dass die Welt in Staub vergehen wird, dass es ein Gericht gibt, aber auch einen gütigen Jesus, der für die Menschen am Kreuz gestorben ist. Folgerichtig lässt Strawinsky alle weiteren Verse unberücksichtigt und schließt mit den letzten sechs Zeilen der Sequenz, in denen sich der Tote am Tage des Gerichts noch einmal an Jesus wendet, doch allen die Ruhe des ewigen Lebens zuteil werden zu lassen. Somit bekommt der von Strawinsky selbst zusammengestellte Textaufbau einen eigenen, auf die Strawinskysche Glaubenssituation bezogenen Sinn, der sich mit der Vorstellung des Altchristlichen deckt. Mit dem Libera me ist er ähnlich verfahren. Die Allmacht Gottes und das Strafgericht bleiben unangetastet; aber beschworen wird auch hier weniger der rächende als der verzeihende Gott. – Das Responsorium Libera me , formtypologisch ein Responsorium prolixum , mit dem Strawinskys Requiem-Gesänge textlich schließen, hat seinen liturgischen Ort nicht in der Messe. Die Totenmesse bildet im katholischen Totenritual nur die zweite Station (Statio secunda). Während des Betretens der Kirche wird eines aus einer Serie von 6 Responsorien gesungen. Dann beginnt die Totenmesse als letztes Gedächtnis und Abschied (Ad ultimam commendationem et valedictionem) für und vom Toten, der in der Kirche aufgebahrt ist. Die tridentinische Toten-Messe endete nicht (wie heute) mit dem üblichen Entlassungsruf des Ite, missa est , sondern mit der Bitte Requiescat (Requiescant) in pace ( Er-sie/sie möge(n) ruhen im Frieden , wobei die christliche pax nicht Abwesenheit von Krieg, sondern Ruhen im Schoße Gottes meint). Die Gemeinde versammelte sich nämlich nach der Messe um den Katafalk beziehungsweise um die Tumba, um weiter für das Seelenheil des Verstorbenen zu bitten. An dieser Stelle wurde das seinerzeit sehr berühmte Libera me gesungen. Erst dann beginnt mit dem Hinaustragen des Toten aus der Kirche die Statio tertia des katholischen Totenrituals, das so angeordnet ist, dass der Sterbenskranke, der Sterbende, der Tote, auf seinem letzten und menschlich gesehen vielleicht schwersten Weg nicht allein gelassen ist. Strawinskys Textfolge zeichnet genau diesen Weg nach. Dass es so gemeint gewesen ist, geht auch aus dem Umstand hervor, dass das Graduale Romanum zwei Responsorien Libera me kennt und beide auch Responsoria prolixa und beide in das Totenritual eingestellt sind. Das erste Libera me gehört zu den 6 Responsorien, aus denen man eines auswählt, wenn man den Toten in die Kirche zur Totenmesse begleitet. In Deutschland ist das meistens das Responsorium Subvenite Sancti Dei gewesen. Strawinsky wählte aber nicht dieses Libera me , sondern das Libera me , das der Messe folgt und das einen anderen Text mit anderem Bezug hat. Das war dann auch der tiefere stilistische Grund dafür, warum er den Requiem-Introitus nicht vertonen musste und trotzdem von Requiem sprechen durfte; denn dieses Responsorium Libera me , mit dem er seine Komposition beendete, schließt mit dem Anfangsvers des Requiem-Messintroitus ( Requiem aeternam dona eis Domine: et lux perpetua luceat eis ) und passt unter künstlerisch-logischen Gesichtspunkten besser ans Ende als an den Anfang, wenn man wesentliche Teile der eigentlichen Messe auslässt. Auch das Libera me hat Strawinsky ausschnittsweise komponiert, diesmal aber auf einer Gesangs- und auf einer Sprechebene gleichzeitig, wobei sich der Sprechtext vom Gesangstext unterscheidet. Die Requiem-Introitus-Formel Requiem aeternam etc. hat er auf die Sprechebene gelegt. Vielleicht fehlt sie deshalb sowohl im CD-Begleitheft-Text wie im Textvorspann der Partitur, nicht aber in der Partitur selbst.
* Die Sequenzen haben ihren liturgischen Ort im Anschluss an das Alleluja , das an den Tagen der Buße und der Trauer, also auch in der Totenmesse, durch den Tractus ersetzt wurde.
Vorlagentext
[Prelude] | |
Exaudi orationem meam, ad te omnis caro veniet. Dies irae, dies illa, Solvet saeclum in favilla, Teste David cum Sibylla. Quantus tremor est futurus, Quando Judex est venturus, Cuncta stricte discussurus! Tuba mirum spargens sonum Per sepulchra regionum Coget omnes ante thronum. |
Erhöre mein Gebet, zu Dir komme alles Fleisch. Tag des Zornes, Tag der Zähren, Wirst die Welt durch Brand zerstören, Wie Sibyll’ und David lehren. Welch ein Zittern wird entstehen, Wenn wir Jesum kommen sehen, Streng zu richten, was geschehen. Laut wird die Posaun’ erklingen, Mächtig durch die Gräber dringen, Alle vor den Richtstuhl zwingen. |
[ Tod, Natur, sie werden beben, / Wann die Toten sich erheben, / Antwort vor dem Herrn zu geben. // Und ein Buch wird aufgeschlagen, / Treu darin ist eingetragen / Jede Schuld aus diesen Tagen. // Sitzt der Herr dann zum Gerichte, / Kommt, was heimlich war, zum Lichte, // daß gerecht er alles schlichte. / Ach, was werd‘ ich Armer sagen, / Wen zum Schutze mir erfragen, / Wenn Gerechte selbst verzagen?]* |
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[Interlude] | |
Rex tremendae majestatis, Qui salvandos salvas gratis, Salva me, fons pietatis. |
König schrecklicher Gewalten, Frei ist Deiner Gnade Schalten, Gnadenquell, laß Gnade walten! |
[Milder Jesus, woll‘ erwägen, / Daß Du kamest meinetwegen; / Tritt mir dann nicht streng entgegen. // Hast gesucht mich unverdrossen / Und am Kreuz Dein Blut vergossen, / Das sei nicht umsonst geflossen. // Richter der gerechten Rache, / Nachsicht üb‘ in meiner Sache, / Eh‘ ich zum Gericht erwache. // Seufzend steh‘ ich, schuldbefangen, / Schamerglüht sind meine Wangen: / Laß, o Gott, mich Gnad‘ erlangen. // Du, der lossprach einst Marien / Und dem Schächer selbst verziehen, / Hast auch Hoffnung mir verliehen. // Doch nicht würdig ist mein Flehen, / Gnade laß für Recht geschehen, / Mich der Höllenqual entgehen. // Zu den Schafen laß mich kommen, / Von den Böcken weggenommen, / Stehn zur Rechten bei den Frommen. // Wenn Verworfnen ohne Schonung / Flammenpein wird zur Belohnung, / Ruf mich zu der Sel’gen Wohnung. // Mit zerknirschtem Herzen wende, / Gott, zu Dir ich meine Hände, / Steh mir bei am letzten Ende. ]* |
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Lacrimosa dies illa, Qua resurget ex favilla, Judicandus homo reus, Huic ergo parce Deus: Pie Jesu Domine, Dona eis requiem. Amen. Libera me, Domine, de morte aeterna, in die illa tremenda: Quando coeli movendi sunt et terra: Dum veneris judicare saeculum per ignem. Tremens factus sum ego, et timeo, dum discussio venerit, atque ventura ira. Quando coeli movendi sunt et terra. Dies illa, dies irae, calamitatis et miseriae, dies magna et amara valde. Libera me. |
Schreckenstag, du Tag der Zähren, Wo vom Staub zurück wird kehren Zum Gericht der Mensch in Schulden. Darum sieh ihn, Gott, mit Hulden! Jesu, milder Herrscher Du, Gib den Toten ew‘ge Ruh‘! Amen. Befreie mich, o Herr, vom ewigen Tode, an jenem furchtbaren Tage, wenn die Himmel bewegt werden und die Erde, wenn Du kommen wirst, die Welt zu richten durch Feuer. Zittern und Furcht befällt mich, wenn das Gericht kommt und der zukünftige Zorn. Wenn die Himmel bewegt werden und die Erde. Jener Tag, ein Tag des Zornes, des Elendes und des Jammers, jener große und bittere Tag. Libera me. Befreie mich. |
[Postlude] | |
* Eckig geklammerter Kursivtext von Strawinsky nicht vertont. |
Aufbau: Es handelt sich um ein in Fünfereinheiten taktgezähltes neunteiliges, nicht numeriertes Chor-Instrumental-Stück unterschiedlicher Formgestaltung mit katholisch-liturgischen Ausschnitten aus der lateinischen Totensequenz Dies irae als textlichem Mittelpunkt, dem Psalmvers Exaudi und dem Responsorium prolixum Libera me sowie den Text-Incipits als Satzbezeichnungen, zusätzlich mit einem instrumentalen Präludium, Interludium und Postludium versehen (PRELUDE: 54 Takte = Takt 1-54; EXAUDI: 26 Takte = Takt 55-80; DIES IRAE: 22 Takte = Takt 81-102; TUBA MIRUM: 33 Takte = Takt 103-135; INTERLUDE: 67 Takte = Takt 136-202; REX TREMENDAE: 26 Takte = Takt 203-228; LACRIMOSA: 37 Takte = Takt 229-265; LIBERA ME: 23 Takte = Takt 266-288; POSTLUDE: 17 Takte = 289-305). –
Prelude : vierteilig mit anschließender Coda, steigend ein- bis vierstimmig, indem sich auf eine sich selbst wieder jeweils auftürmende Streicherpyramide mit Schlagzeugcharakter erst eine Solovioline aufsetzt (Takt 1-7 = 4 + 3 Takte), dann zwei Solo-Violinen (Takt 8-19 = 1 [Pause] + 3 + 7 Takte), dann zwei Solo-Violinen + Solo-Bratsche (Takt 20-33 = 6 + 8), dann zwei Solo-Violinen + Solo-Bratsche + Solo-Violoncello mit oktavverdoppeltem Solo-Kontrabass (Takt 34-46 = 1 [Pause] + 4 + 8). Somit ergibt sich das Formbild A(a+b)-B(a1+b1)-C(a2+b2)-D(a3+b3)-E(a4) mit einer in sich selbst zurücklaufenden Konstruktion, die gleichzeitig wie in die Unendlichkeit fortgeschrieben erscheint. Es folgen 7 Takte Koda mit einem taktweise metrisch veränderten rhythmisch äqualen Schlagrhythmus auf a durch Tutti-Bratscher, -Violoncellisten und -Kontrabassisten und einem Anschlussakkord (Takt 47-54). –
Das Exaudi ist zweiteilig homophon mit Koda angelegt, wobei die Teilung durch die Textaufteilung bedingt wird. Exaudi: zweiteilig homophon mit Koda für Flötensatz, Fagotte, Horn, Harfe und Streicher, wobei die Teilung durch die Textaufteilung bedingt wird. Im ersten Teil vertont Strawinsky nur das Incipit, im zweiten den ganzen Vers. Jedem Textteil ist eine wieder zweiteilige instrumentale Miniatureinleitung aus einem Melodie- und einem Akkordstück vorangestellt. So beginnt der Satz mit 2 Takten Melodieführung Harfe zu Flöte, gefolgt von 1 Akkordtakt aus Fagotten und Tutti-Streichern, der für sich einen vertikalen Zwölftonakkord bildet, dem sich der eintaktige Exaudi-Ruf anschließt. Der zweite Teil beginnt mit 2 Takten Melodieführung in der Harfe, gefolgt von 4 Akkordtakten aus Flötenquartett und Horn und (im letzten Takt) Violoncello mit Kontrabass. Ihm schließen sich 10 Takte instrumentalbegleitete Versvertonung an, die nach dem 4. Takt durch eine Instrumentalmediante unterbrochen wird. Der Satz schließt mit einer zwölftönigen Streicherkoda. Das Formschema A-B-C ist, wenn man Strukturinhalte nicht mit berücksichtigt, demnach A = a+b+c, B = a1+b1+d, C = b2 zu unterteilen. –
Dies irae: vierstrophig, wobei die ersten drei Strophen ein eintaktiges, identisches Instrumentalvorspiel aus Streichern, Klavier und Pauke in Form eines Vorspanns erhalten, nach dem der Chor einsetzt, die letzte Strophe unterschiedlich davon diesen Vorspieltakt wiederholt, die Wiederholung aber durch eine Ganztaktpause trennt. Der Abschnitt ist chorisch homophon und seiner Wucht entsprechend auch gleichrhythmisch, die Instrumentalbegleitung steht zum Text in Bezug. Strawinsky setzt Effekte wie Echowirkung und chorisches Sprechen ein. Als Formschema ergibt sich A(a+b)-B(a+b1)-C(a+b2)-D(a1+b3). Der Satz geht ohne Pause attacca in den nächsten Abschnitt über. –
Tuba mirum: dreiteiliger Bass-Sologesang in A-B-A1-Form mit einer von 2 Trompeten gespielten Fanfaren-Introduktion. Er wird zunächst von 2 Trompeten und einer Tenorposaune begleitet (A), die nach einem instrumentalen Zwischenspiel (B) durch 2 Fagotte abgelöst (A2) werden. Das 1. Fagott verlängert das Abschluss-gis des Bassisten noch um einen am Abschnittsende um eine Sechzehntelpause verkürzten Takt. –
Interlude: vierteiliger Lamento-Instrumental-Gesang, bei dem jeweils einer mehrtaktigen Akkordkombination aus Flöten, Hörnern und Pauken ein unterschiedlich ausgedehnter und unterschiedlich kolorierter Nachgesang folgt, der das Gesamtinstrumentarium um 2 Fagotte erweitert. Die Introduktionstakte (Takt 136-139, 144-146, 159-160, 194-196) nehmen den Eingangsrhythmus des Dies irae auf, der in diesem homorhythmischen Komplex gliedernden Charakter hat. So ergibt sich das Formschema A-B-A1-C-A2-D-A3-E, wobei die Teile B (Takt 140-143), C (Takt 147-158), D (Takt 161-192 + Takt 193 als Generalpause) und E (Takt 197-203) konstruktionstechnisch nach Lamento-Art und dabei mit unterschiedlicher Länge, unterschiedlicher Wertigkeit und unterschiedlichem instrumentalen Kolorit gearbeitet sind. B (4 Takte) besteht aus einer Flötensatz-Fagott-Instrumentation, C (12 Takte) verbindet Altflöte, 2 Fagotte und Pauken, der ausgedehnte D-Teil (32 Takte) beschränkt sich auf den Flötensatz (3 große Flöten + Altflöte), E (7 Takte) setzt mit Altflöte und Fagott ein, erweitert den 2. Takt um ein 2. Fagott, nimmt im 3. Takt die Altflöte weg und spielt die letzten 4 Takte nur noch mit 2 Fagotten. –
Rex tremendae: dreiteilig in einer sehr kompliziert binnengegliederten Form A-B-C geschrieben, weil Strawinsky textdeutend zwei gegensätzliche Chorstellen synchronisierte und die verschiedenen Formen ineinanderstauchte. Die Chorbegleitung besteht aus einer Trompete und einer Tenorposaune, die instrumentalen Akkordeinschübe übernimmt ein Komplex aus den 3 großen Flöten und den 3 tiefen Tutti-Streichern. In den kontrapunktischen Chorsatz wirkt die akkordische Instrumentalgruppe ein und spielt über den Chorsatz hinaus wie ein Nachspiel (A = a-a1/b-b1). Nun kombiniert Strawinsky den neuen Chortext mit dem alten und lässt die akkordische Instrumentalgruppe nur noch nachspielen (B = a2/c-b2). Im dritten Teil erklingt nur noch der neue Chortext mit nachsetzender Instrumentalgruppe (C = c1-b3). –
Lacrimosa: siebenstrophig als Alt-Arie gebaut, wobei 6 unterschiedlich gelängten Strophen ein ganz kurzer instrumentaler Abgesang folgt, der Trompeten, Posaunen und die Streicher ohne Kontrabass den gesangsbegleitenden Flöten, Solo-Kontrabass und Harfe zugesellt. Bei der 7. Strophe handelt es sich um das gleich gebaute Amen , so dass man auch von 6 Strophen mit Amen-Koda sprechen könnte. Bei der 6. Strophe ist der Nachgesang in die Strophe selbst eingelassen. Das schematische Strukturbild sieht dabei schlichter aus als es in Wirklichkeit ist: A(a+b)-B(c+b1)-C(d+b2)-D(e+b3)-E(f+b4)-F(g+b5)-G(h+b6). Auf die Taktzahlen umgerechnet entspricht A den Takten 229-234 (229-232 + 232-234), B den Takten 235-237 (235 + 236-237), C den Takten 238-244 (238-242 + 242-244), D den Takten 245-249 (245-248 + 249), E den Takten 250-254 (250-253 + 254), F den Takten 255-260[261] (255-260 + 260 + Generalpause 261), G den Takten [261]262-265 (Generalpause 261 + 262-263 + 264-265). –
Libera me: zweiteilig homophon gearbeiteter ausschließlich mit 4 Hörnern begleiteter Satz für 4 Gesangssolisten und Sprechchor. Der erste Teil umfasst die Takte 266-279 und besteht aus 7 Doppeltakten schnell-langsam. Im unterschiedlich metrisierten Schnelltakt ist der Text möglichst in Triolenwerten zu sprechen, aber in Viertelwerten zu singen, wobei Chor und Solisten unterschiedliche Texte über- und durcheinander sprechen und singen. Der langsame Nachtakt im Dreihalbe-Wert dient der jeweiligen Ausflutung. Das Verfahren wird im zweiten Teil (Takte 280-288) im leicht verlangsamten Duktus fortgesetzt. –
Postlude: dreistrophisch mit Koda gearbeitet. Einem Ganznotenakkord aus Flöten, Klavier und Harfe folgt eine pausenunterbrochene Mehrtaktkombination in Viertelwerten aus Celesta, Glocken und Vibraphon und dieses dreimal mit nachfolgender Koda aus wiederholtem Eingangsakkord, so dass ein Formschema A(a-b)-A1(a1-b1)-A2(a2-b2)-B(a3+b3) entsteht. Das b3 ist in diesem Falle nur ein Einzelakkord. A, B und C bestehen aus 5 Takten (289-293 = 289 + 290-292 + Generalpause; 294-298 = 294 + 295-297 + Generalpause; 299-303 = 299 + 300-302 + Generalpause), B aus 2 Takten. Die Verbindung zwischen beiden Komplexen stellt das ungedämpfte 1. Horn mit übertaktig lang ausgehaltenen Tönen her.
Aufriss
[1.] PRELUDE
Sechzehntel = 250 (54 Takte = Takt 1 bis Takt 54)
[2.] [1.] EXAUDI
Achtel = 104 = Viertel = 52 (26 Takte = Takt 55 bis Takt 80)
[3.] DIES IRAE
Sechzehntel = 136 = Achtel = 68 (22 Takte = Takt 81 bis Takt 102 [ attacca weiter zu Takt 103])
[4] TUBA MIRUM
Sechzehntel = 136 (33 Takte = Takt 103 [von attacca Takt 102 her] bis Takt 135)
[5.] INTERLUDE
Sechzehntel = 104 (67 Takte = Takt 136 bis Takt 202)
[6.] REX TREMENDAE
Viertel = 104 bis 106 (26 Takte = Takt 203 bis Takt 228)
[7.] LACRIMOSA
Sechzehntel = 132 (37 Takte = Takt 229 bis Takt 265)
[8.] LIBERA ME
Viertel = etwa 170 (23 Takte = Takt 266 bis Takt 288)
[9.] POSTLUDE
Viertel = 40 (17 Takte = Takt 289 bis Takt 305)
Reihen: In den Requiem-Gesängen benutzte Strawinsky eine Doppelreihe, deren zweite zur ersten bei einem gemeinsamen fünftönigen Zentrum in einer Art von permutierender Rückläufigkeit steht (Reihe I: g1-a1-f1-fis1-gis1-dis2-cis2-d2-e2-h1-ais1-c2; Reihe II: g1-e1-fis1-gis1-dis2-cis2-d2-ais1-a1-h1-c2-f1).
Korrekturen / Errata
Dirigierpartitur 106-1 [ Eintragungen in rot und grün ]
1.) S. 1 Takt 8: statt falsch 6/16 muss es richtig 3/8 heißen.
2.) S. 1 Takt 9: statt falsch 8/16 muss es richtig 7/16 heißen.
3.) S. 4 Takt 34 ist in 2 Metren 5/16 und 2/8 aufzuteilen.
4.) S. 4 Takt 35 ist in 2 Metren 2/8 und 4/8 aufzuteilen.
5.) S. 4 Takt 36 ist in 2 Metren 3/8 und 5/16 aufzuteilen.
6.) S. 4 Takt 36 bis 45 Violinen: jeweils auf der 1. Note der Ligaturen ist ein Akzentzeichen > zu
setzen.
7.) S. 9 Takt 76: die Singstimmen sind bis zum neuen Takt auszuhalten.
8.) S. 9 Takt 77: Violinen, Bratschen und Violoncelli sind violinzuschlüsseln.
9.) S. 9 Takt 77-78: Violinen erhalten Abstrichzeichen.
10.) S. 9 Takt 77: Violinen erhalten Akzentzeichen (>).
11.) S. 9 Takt 80: durchgängig Fermate.
12.) S. 12 Takt 90: statt 2/4 richtig 4/8.
13.) S. 15 Takt 108: statt p -Zeichen muss es >sub p < heißen.
14.) S. 15 109: statt 4/16 muss es 2/8 heißen.
15.) S. 16 Takt 125: statt 4/16 muss es richtig 2/8 heißen.
16.) S. 16 1./2.Fagott: Ligatur-Phrasierungsbögen über 2 Systeme hinweg.
17.) S. 17 Takt 140 1./2. Flöten: statt m ¦ soll es m p heißen.
18.) S. 18 Takt 141: Beginn Crescendo-Zeichen bis Ende 142.
19.) S. 18 Takt 143: Decrescendo-Zeichen.
20.) S. 19 Takt 155: 4/16 + 3/ 16.
21.) S. 19 Takt 156: 4/8 statt 8/16.
22.) S. 20 Takt 168: durchgängig p -Zeichen.
23.) S. 21 Takt 180 3. Flöte und Altflöte: Akzentzeichen (>) auf 2. Zweiunddreißigstel-Ligaturton.
24.) S. 21 Takt 181 3. Flöte und Altflöte: Atemzeichen hinter 1. Note.
25.) S. 21 Takt 184 1./2. Flöte: Crescendo-Zeichen.
26.) S. 21 Takt 185 2. Flöte: Akzentzeichen (>) auf 2. Vierunddreißigstel-Ligaturnote.
27.) S. 24 Takt 209 1./2. Flöte: die 4., nicht staccatierte Achtel-Ligaturnote ist mit einem Akzentzeichen
(>) zu versehen; am Taktende ist durchgängig ein Atemzeichen anzubringen.
28.) S. 24 Takt 210: der Choreinsatz Alt + Tenor hat fortissimo ¦¦ zu erfolgen.
29.) S. 25 Takt 216: die 1. Trompete hat piano zu spielen.
30.) S. 26 Takt 225 Tenor: das –tis ist mit Akzentzeichen (>) zu versehen.
31.) S. 26 Takt 226: Sopran und 1. Trompete binden in die Pause hinein über; die Flöten setzen m ¦
ein.
32.) S. 26 Takt 227 1. Flöte: die punktierte Viertelnote f3 erhält ein Akzentzeichen (>); nach der
übergebundenen Note ist ein Atemzeichen einzutragen, dann spielt die Flöte p (p-Zeichen)
weiter, die letzte Taktnote erhält ein > Akzentzeichen (>).
33.) S. 26 Takt 228: 1. Flöte bindet in die Pause über.
34.) S. 29 Takt 238 Solo-Klarinette: in der 2. Ligatur ist nach der 2. Zweiunddreißigstel-Ligatur ein
senkrechter Strich eingetragen, so, als ob die Bindung zwischen den beiden
Zweiunddreißigstel-Noten e1 weggenommen werden sollte.
35.) S. 29 Takt 239 Taktangabe 3/16: als aufühhrungspraktische Anmerkung oberhalb in rot ohne
Querstrich wiederholt (keine Korrektur).
36.) S. 34 Takt 272: die 12 in 2 Sechsergruppen aufgeteilten Viertelnotentexte sollen in jeweils 4
Dreiergruppen aufgeteilt werden.
37.) S. 36 Takt 285: der Choreinsatz soll forte ( ¦ -Zeichen) erfolgen.
38.) S. 37 Takt 290: 1. Horn in Pause überziehen.
39.) S. 37 Takt 291 1. Horn: Halbe ist mit einem Akzentzeichen (>) zu versehen.
Stil: Die Neunteiligkeit der Anlage entstammt trinitarischen Überlegungen, wobei die drei sich nach und nach auflichtenden Instrumentalteile einen Lebensprozess als Folge eines Dunkel-Hell-Verständnisses mit einer Zuordnung Erde-Übergang-Himmel = Sterben-Hoffnung-Erfüllung abbilden. Das erregte Spiel des Präludiums gibt den Streichern Schlagzeugfunktion und wirkt unausgeglichen dumpf, grell, rauh und zerrissen. Strawinskys noch in die früheste Zeit hineinreichendes Kompositionsmittel, am Ausmaß der Sprünge im Ambitusrahmen das Ausmaß der Erregung und des Unangenehmen anzuzeigen, gilt auch noch für das Requiem. Die Beruhigung tritt in den nachfolgenden Bitteilen ein. Das Interludium lässt helle Töne einfließen. Das Flötenquartett mit Hornfundament beherrscht den Klang, Fagott und Pauken bilden die Tiefenregister. Die Bewegung wird zurückgenommen, Verzweiflung ist der Klage gewichen. Strawinsky sprach vom Interludium als vom Lamento des Stückes. Das Postludium bringt die Erfüllung. Der Klang ist ganz ätherisch und unbewegt. Kein tief gelagertes Instrument stört die Kombination aus hohen Flöten, Harfe, Klavier und Horn, dem zum ersten-, einzigen- und letztenmal Celesta, Vibraphon und Glocken zugesellt werden. Der Schlussakkord intoniert mit dem viergestrichenen cis in der Celesta den höchsten Ton des Stückes überhaupt. Das Richtungsverständnis Erde-Himmel = Tief-Hochregister = Sünde-Verzeihung = Tod-Leben hat seine Erfüllung im Leben = Himmel gefunden. Anders als in vergleichbaren Barockkompositionen, deren Ende figurentechnisch offen bleiben muss, ist der Himmel für den Menschen mehr als nur eine Erwartung, auf die er allenfalls eine Option hätte, sondern Sicherheit, die sich in der Güte Gottes begründet. Die Textausschnitte mit ihrem fundamentalen Richtungsvollzug und den ätherischen Schlussklängen korrespondieren mit einer geänderten theologischen Vorstellung. Indem die weitere Sinngebung als Textdeutung auf dem Umweg über die Versanlage erfolgt, wird Form zur Aussage. –
Den 2. Abschnitt Exaudi so aufzuteilen, dass sein erster Teil nur aus dem dreistimmigen Incipit, der zweite aus dem ganzen Vers mit vierstimmig wiederholtem Incipit besteht, und gleichzeitig die Zwölftonstruktur fanalartig vor dem Incipit vertikal zu schließen, staucht die Form immer weiter in sich selbst hinein. Es verwundert nicht, dass Strawinsky die drei a-cappella-Singstimmen Sopran-Alt-Tenor in ihre tiefsten Register führt; die Vertonung des ganzen Verses wird dann höher angelegt. Auf diese Weise scheint im Exaudi sinngemäß der Toten-Tractus auf. Die Textstelle handelt von der umstrittenen Auferstehung des Fleisches. Strawinsky strukturiert die Reihe so, dass der Ambitus-Höhepunkt e2 nur einmal angespielt wird und auf das lateinische Wort te (Dir = Gott) fällt. Das Fleisch ersteht auf, und es kommt zu Gott. Die Wichtigkeit des Vorgangs betont Strawinsky mit der zweiten Wortwiederholung des Abschnittes ad te (zu Dir), die er nicht nur für die Betonung benötigt, sondern für die Figur geradewegs nach Art einer Anabasis: ad te / ad te = c2-d2 / dis2-e2 jeweils in der aufsteigenden Schwebewertigkeit Viertel-Halbe. Die dritte Wortwiederholung veniet (venire = kommen) ist ebenso programmatisch, weil sie auf die Pax Christi abhebt, das Ruhen im Schoße Gottes, indem das Fleisch zu Gott kommt, wo es ruhen wird in Ewigkeit. Er lässt sie mit einer Ganznote weit ausschwingen, die sich nur an dieser Stelle des Abschnitts findet. Das viertaktige Miniaturnachspiel bekommt jetzt seinen deutenden Sinn, weil es die im Postludium angezeigte Erfüllung vorwegnimmt, indem die Streicher in lang ausgehaltenen Akkorden und schließlich ganz hoch angesetzten Doppelganztönen (in denen selbst der Kontrabass im Violinschlüssel spielt) auf die Sphären verweisen, in denen sich das Geschehen abspielt. Im Postludium wird er dafür Celesta und Glocken einsetzen. Auch das ist für 1966 gesehen neu: aus der Angst vor dem Geschehen nach dem Tod ist die Sicht der Verheißung geworden. Auferstehung ist nicht mehr in Frage gestellt, sie ist Realität. –
Hervorstechend ist die äußere Bildlichkeit des Sequenzenbeginns im dritten Abschnitt Dies irae einschließlich des nachfolgenden Abschnittes Tuba mirum . Der Vorspanntakt wirkt aufgeregt, die großen Sprünge bemühen Strawinskys alte Technik, auf diese Weise das Misslich-Unangenehme darzustellen, das hier im wahrsten Sinne über Leben und Tod entscheidet, oder auch das Durcheinander vor dem großen Ereignis des Jüngsten Gerichts. Den Echoeffekt schrieb er ausdrücklich verbal in die Skizzen hinein ( Make the response an echo ). Der Aufruf zum Gericht erfolgt hammerartig unter Begleitung von Trompeten und Posaunen, den königlichen und den Unheil verkündenden Instrumenten. Man denkt an die richterliche Praxis, sich mit und unter Hammerschlag Ruhe und Aufmerksamkeit zu verschaffen und das Urteil zu bestätigen, an die Posaunen von Jericho, an das Erscheinen des königlichen Richters. Vom Text wird, das Incipit ausgenommen, kein Wort wiederholt, im Gegenteil, er flutet im chorischen Flüstern ganz schnell vorüber. Die Textvertonung zeigt in ihrer homophonen und homorhythmischen Wucht das Unabänderliche des Richterspruches, das Flüstern die Angst und die Niedergedrücktheit der Betroffenen, die nicht einmal mehr laut zu sprechen wagen und gerade mit diesem Verhalten den Text betonen. Textwiederholungen betreffen nur das Incipit. Strawinsky beginnt mit dem unheimlichen Forte-Ruf Dies irae , dessen zweites machtvolles Wort im Nachhall pianissimo nachklingt. Er schließt mit Dies irae , wiederholt diesmal aber beide Wörter echoartig, um sofort das Tuba mirum anzuschließen. Strawinsky wiederholt sie entsprechend seiner Requiem-Aussage von der Auferstehung der Toten. Die Melodie setzt fanfarenartig ein, der Solo-Bass greift den Fanfarenrhythmus auf und spinnt ihn weiter, um das Incipit am Schluss zweimal zu wiederholen und den letzten Ton wie ein hinausgeschmettertes Signal, damit es auch die letzten noch hören, über 6 Takte legato auszuhalten. Die einzigen wiederholten Wörter sind dementsprechend per sepulchra (durch die Gräber), gemeint sind die Trompetenrufe, die durch die Gräber dringen und die Toten zum Jüngsten Gericht rufen. Dass beide Male die Stimmführung des Solisten abwärts (zu den Gräbern) gerichtet wird, während die Trompeten ihre Signale in alle Richtungen hin gehen lassen, ist ebenso selbstverständlich wie die aufsteigende Sololinie, wenn es hin zum Throne Gottes geht, oder das Zweitonmelisma des Wortes coget (cogere, von ursprünglich co-agere = zusammentreiben), das Dreitonmelisma auf spargens (spargere = ausbreiten, in diesem Zusammenhang auf den Schall der Tuba gerichtet) oder das Viertonmelisma auf tuba (übersetzt mit Posaune). - Im kurzen Abschnitt des Rex tremendae arbeitet Strawinsky mit den Mitteln einer fast schon augenmusikalischen Bildlichkeit. In den mit Trompete und Posaune begleiteten kontrapunktisch frei imitierenden Chorsatz (Takt 203-205) schlagen Flöten und tiefe Streicher auf tremendae (tremere = zittern, beben) anschaulich mit Staccato-Sechzehntel hinein (Takt 206-207) und lassen es auch noch nachzittern (Takt 208-209). Dem Theologie-Verständnis vom gütigen Gott entsprechend koppelt Strawinsky aber den Anschlusstext Qui salvandos mit der Verheißung der Gnade mit dem vorherigen Textkomplex zusammen (Takt 210-213), so dass die Stelle von der Schrecklichkeit des Gerichts mit der Stelle von der Verheißung der Gnade synchron erklingen. Die Gnade kommt von Gott und sie wirkt sich im Fundament aus. So werden Sopran und Alt, die symbolisch für die Höhe stehen, und der Bass, der die Erde vertritt, dem Gnadentext zugeordnet. Nur noch der Tenor im wörtlichen Bildsinne als der Halter sorgt dafür, dass der Anlass der Gnade nicht vergessen wird. Die Angst besteht zwar noch weiter, aber in erheblich vermindertem Umfang. Folgerichtig lässt Strawinsky die ehemaligen Tremendae-Sechzehntel-Schläge nicht mehr in den Textkomplex hineinspielen, sondern nachschlagen, und er vermindert sie zudem von ehemals 10 Achteln auf 5 Achtel mit einem auslaufenden punktierten Viertelschlag (Takt 214-215). Im dritten Chorteil des Abschnitts wird der Tremendae-Text gänzlich vom Gnadentext abgelöst (Takt 216-226). Das Zittern vor dem Ereignis ist Vergangenheit geworden. Die ehemals bewegenden Achtelschläge setzen chorlos in Takt 226 ein und verklingen dementsprechend poco meno (Takt 226-228). –
Der vorlagenbedingt melismenreiche Lacrimosa -Teil mit seinen wiederholenden Klagefiguren bildet das retardierende Moment zum schnellen Textfinale des Libera me . Strawinsky überlagert die von den 4 Solisten homorhythmisch gesungenen Texte mit überflutendem chorischen Sprechen, das zum Gesangsrhythmus einen Triolen-Gegenrhythmus bildet, so dass sich die Bewegung in zwei statische Klangblöcke verwandelt, und setzt das individuell-personalbezogene Libera me in eine Pluralfunktion. Nicht um Wirkung geht es, sondern um Aussage. Die Verbindung von geordnetem Singen mit ungeordnetem Sprechen im bewegungslosen Klangraum bildet die Einheit der Kirche selbst als einer Kirche von Lebenden und Toten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ab. Das musiktheologisch Einzigartige an dieser Stelle ist Strawinskys Gedankengang, ein Gebet, das einem Einzelnen gilt, so auszulegen, als werde es von der ganzen Christenheit gleichzeitig und in einem einzigen Augenblick einer im mystischen Sinne zusammenfallenden Zeit gebetet. Die Stimmenvielfalt des Singens und Sprechens ist die Vielfalt der Totalität der Kirche an sich, die Gleichzeitigkeit von Milliarden und Abermilliarden Menschen, die da im letzten Augenblick des Jüngsten Gerichtes noch einmal in den unterschiedlichsten Gestalten bitten, bevor der Richterspruch endgültig ergeht. Indem Strawinsky nun zusätzlich die Sprechtexte fragmentarisch einwirft, kann er den gewählten Ausschnitten den Charakter sogenannter Stoßgebete geben und auf sie die wirklich entscheidenden und nur noch fast gestammelten Bitten an den gütigen Gott zusammenfassen, deren es in dieser Situation ohnehin nicht mehr viele gibt: Die letzte Bitte um die Erlösung vom Tod, um das Ewige Licht, das da leuchten möge, um das Ruhen im Frieden. An dieser Stelle erhält das Postludium seinen abschließenden theologischen Sinn. Seine zum Himmel hin weisenden Klänge verheißen die Erfüllung aller Bitten. Das Stück ist mit einer Doppelreihe seriell sowohl horizontal wie vertikal, polyphon wie homophon gestaltet und arbeitet mit der Technik blockartig nebeneinander gestellter Satzformen vielfältigster Art, wobei der strenge Zusammenhalt zusätzlich durch Wiederholungsklauseln, kombinatorische Variationselemente und instrumentale Farbgebungen gesichert wird. Dabei sind die Reihen so konstruiert, dass sie die Textdeutung ermöglichen. Das Stück ist formvielfältig und farbvariabel und nimmt im Libera me möglicherweise Einflüsse der jüngeren Generation auf, die in Richtung Geräuschfläche komponiert.
Widmung: > To the memory of Helen Buchanan Seeger < [Zum Gedenken an Helen Buchanan Seeger]; die Widmung war Bestandteil des Vertragstextes zwischen Strawinsky und dem Verlag Boosey & Hawkes.
Widmungsträger: Helen Buchanan Seeger wurde 1895 als viertes Kind und jüngste der drei Töchter des amerikanischen Multimillionärs William Buchanan geboren und heiratete 1918 den amerikanischen Chirurgen Stanley Seeger, der an der Majo-Klinik gearbeitet hatte, mit ihr nach Milwaukee umzog, dort als hoch angesehener Arzt an mehreren Hospitälern in leitender Funktion tätig war und schließlich ihretwegen seinen Beruf aufgab. Die amerikanischen Quellen lassen Helen Buchanan Seeger nicht unbedingt als eine angenehme Frau erscheinen. Archer H. Moore, der die Imperiumsgeschichte der Buchanans von den Anfängen bis zum Ende nachgezeichnet hat*, trug zeitgenössische Äußerungen über sie zusammen, denen zufolge sie schillernd (colorful), fordernd (demanding), kontakt- und ausgabenfreudig (outgoing, free-spending) war. Man erlebte sie als Wildkatze (bear-cat), als ausgelassene, ungestüme Frau (boisterous woman, hell-raiser) mit einem ausgeprägten (pronounced) Charakter und hielt sie für überspannt (high-strung). Im engeren Familienkreis nannte man sie, bezeichnenderweise nur hinter ihrem Rücken, schlichtweg die ‚Horrible Helen’ (die schreckliche Helen). Den Architekten, der ihr in River Hills, einer der vornehmsten Wohngegenden Milwaukees, ein aufwendiges Haus im georgischen Stil erbaute**, warf sie zweimal hinaus. Stanley Seeger starb 1952, Helen Buchanan Seeger 1964. Das genaue Sterbedatum wird in der amerikanischen Literatur nicht genannt.
* Archer H. Moore: Southern Timberman. The Legacy of William Buchanan, University of Georgia Press, XVII + 263 Seiten, Athens & London 2009.
** gilt heute als eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Dauer: zwischen 14'39" und 15'.
Entstehungszeit: Hollywood März 1965 bis 13. August 1966 mit Korrekturen Ende 1966.
Entstehungsgeschichte:
Die Kompositionsgeschichte ist an Hand der erhaltenen Skizzen so genau wie bei nur wenigen Werken Strawinskys zu rekonstruieren und von Craft in einer eigenen Arbeit zusammengestellt worden. Danach hat er mit dem Interludium im März 1965 begonnen, musste die Arbeit aber wegen mancherlei Verpflichtungen dreieinhalb Monate liegen lassen und nahm sie am 15. Juli wieder auf. Die Skizzendatierungen zeigen, dass er die Takte 163 bis 175 am 25-26. Juli entwarf, die Takte 152-158 am 28. Juli, die Takte 161-162 am 20. August und die Takte 176-178 am 29. August. An diesem Tag wurde das Interludium fertiggestellt. Das Exaudi schloss er am 10. November ab. Acht Tage später, am 18. November, begann er mit dem Prelude . Das Dies irae enstand in den Monaten Dezember 1965 und Januar 1966. Die ersten fertig gestellten Takte waren die 5 Tonhöhen von Takt 91. Dann schrieb er den Chorsatz Takt 81. Am 24. Januar 1966 schloss er den Teil mit den Takten 88 und 89 ab. Zuvor schon hatte er am 7. Januar am Tuba mirum geschrieben und die Musik von Takt 124 ( per sepulchra ) entworfen. Zu diesem Zeitpunkt war an Stelle der Fagottstimmen noch Harmonium vorgesehen. Das Rex tremendae wurde am 29. März begonnen und am 6. April abgeschlossen, das Lacrimosa ist mit 27. April datiert. Die Takte 235 und 234 sind gesondert skizziert worden. Vom Libera me sind keine datierten Skizzen erhalten, doch ist der Abschnitt, die letzten Teile ausgenommen, nach der Fertigstellung von Lacrimosa und vor dem 12. Mai 1966, dem Tage der Abreise nach Europa geschrieben worden. Die Schlussskizzen, die Takte 270 bis 272 und 280 bis Ende, entstanden in der letzten Woche Mai in Lissabon, wie sich aus gekauftem Notenpapier rückschließen lässt. Das Postlude konstruierte er zwischen dem 26. Juli und dem 13. August 1966. Damit war das Requiem abgeschlossen. Am 16. August 1966 jedenfalls schickte er an Rufina Ampenoff von Boosey & Hawkes vier Kopien und bat um ganz schnelle Drucklegung, weil er noch im Dezember die Uraufführung erwartete, die aber dann schon im Oktober in Princeton stattfand.
Uraufführung: am 8. Oktober 1966 in der Princeton University mit der Sopranistin Linda Anderson, der Altistin Elaine Bonazzi, dem Tenor Charles Bressler, dem Bassisten Donald Gramm, dem The Ithaca College Choir (Chorleiter: Gregg Smith), dem New York Symphony Orchestra unter der Leitung von Robert Craft.
Bemerkungen: Wie aus einem Brief Strawinskys vom 21. März 1965 an Nabokow hervorgeht, stand er vor der Wahl, eine Komposition für Rostropowitsch zu schreiben oder ein altes Versprechen zur Komposition einer Symphonie einzulösen, das er dem jungen Princeton Orchester schon vor einiger Zeit gegeben hatte. Strawinsky erläuterte, warum ihm an einem Auftrag für Rostropowitsch nichts gelegen war. Seine Ablehnung richtete sich ausdrücklich nicht gegen den virtuosen Violoncellisten, dem Strawinsky nichts absprach, sondern gegen Russland. Strawinsky wurde urheberrechtlich von keinem Land so ausgebeutet wie von der Sowjetunion, deren offizielle Sprecher ihn jahrelang verteufelt hatten, bis sie ihn nach seinem Russlandbesuch über alles lobten, ihm aber für Nachdrucke und Aufführungen keinerlei Vergütungen zukommen ließen. Strawinsky hat das nie verwunden, und so lehnte er den Auftrag mit dem Bekenntnis ab, eigentlich weder für einen Russen noch für Russland komponieren zu wollen. Statt dessen beabsichtigte er im Juli 1965 mit der Komposition für Princeton zu beginnen, aus der die Requiem-Gesänge hervorgehen sollten, die spätestens Mitte August 1966 abgeschlossen waren. Strawinsky entwarf zuerst die Idee eines dreiteiligen Instrumentalrahmens und begann die Komposition mit dem zentral gelagerten Zwischenspiel. Für die Nichtvertonung der Introitus-Antiphon Requiem aeternam gab es auch gute künstlerische Gründe. Strawinskys Requiem Canticles ist eine Sequenzenvertonung mit nachfolgendem Responsorium prolixum , die sich als Ganzes in ein Messformular als Einlage an Stelle der Sequenz einordnen lässt. Mit der Hinzufügung des namensgebenden Introitus wäre die Komposition auf eine Messe zugelaufen und hätte für einen liturgiebewussten Komponisten wie Strawinsky die Vertonung der anderen Requiem-Teile aus Proprium und Ordinarium verpflichtend gemacht. Damit hätte er aber Wiederholungen gesetzt, weil er die Ordinariumsteile Kyrie , Sanctus und Agnus Dei bereits in der Messe, und den Introitus (dessen antiphonaler Rahmenvers auch das Graduale und die Communio bestimmt) nicht einmal ein Jahr zuvor für sein Memorialwerk im Gedächtnis an den verstorbenen Eliot aufgenommen hatte. Eine solche Wiederholung hätte dem grundsätzlichen Bestreben Strawinskys widersprochen, nur Modelle zu komponieren. Die Vorverlegung der Uraufführung löste bei Strawinsky ein Schreiben an Ampenow vom 29. August aus, alle europäischen Unternehmungen anzuhalten, weil er die europäische Erstaufführung im Frühling 1967 selbst dirigieren wollte. Die Drucklegung ging ihm nicht schnell genug voran. Leopold Spinner sollte den Klavierauszug fertigen, aber Strawinsky hatte keine Zeit, ihm die Einzelheiten zu erklären. Strawinsky teilte dem Londoner Verlag am 10. Dezember weiter mit, keine Aufführung dulden zu wollen, bevor nicht ordentliches gedrucktes Probenmaterial vorliege. Er habe alle Proben unter Craft erlebt und wisse genau, dass diese heikle Musik sorgfältig hergestelltes Notenmaterial erforderlich mache. Am 17. Januar 1967 gingen die Korrekturen nach London zurück. Strawinsky war zufrieden und ließ das Material an Spinner abgehen. Die französische Erstaufführung versprach er – trotz Threni -Affäre – Gilbert Amy für die Pariser Domaine Musicale im Dezember 1967, wie aus einem Telegramm an Boosey & Hawkes vom 17. Mai hervorgeht. Darüber hinaus war das Stück weiterkomponierbar. So hat er am 17. April 1968 ein neues Vorspiel zu skizzieren begonnen, weil das Requiem aus Anlass einer Gedächtnisfeier für den ermordeten Martin Luther King gespielt werden sollte. Er gab das Unternehmen auf, nachdem er feststellte, bis zum Aufführungstermin nicht mehr fertig werden zu können.
Bedeutung: Auch der Gesamttitel bildet eine theologische Aussage. Der altkirchliche Begriff Canticum bedeutet in der englischen Übertragung canticle einen biblisch bezogenen Lobgesang. Indem Strawinsky die Totenmesse ausgerechnet in der Ableitung aus der Sequenz Dies irae als Folge von Lobgesängen auffasst und damit der Totenmesse als Ganzes den Klagecharakter nimmt, beschreibt er den Tod als Ergebnis der Geburt mit der Sinngebung des Zugangs zu einem ewigen Leben, das dem Tod nachfolgt. Dies entspricht dem christlichen Geburt-Leben-Tod-Geburt-Paradoxon. Die Requiem Canticles sind die wohl kürzeste Vertonung eines Requiem-Textes in der Musikgeschichte überhaupt. Strawinsky selbst nannte das Stück das „erste Mini- oder Taschen-Requiem“ ( the first mini- or pocket-Requiem ). Witzig wie er war, begründete er diese Bezeichnung nicht nur mit der Kürze des Stückes, sondern auch mit der Art seines Entstehens, nämlich weitgehend auf Reisen und in Merkbücher skizziert, die er in der Tasche mit sich führte.
Fassungen: Zwischen April und Mai 1967 erschienen bei Boosey & Hawkes Klavierauszug, Dirigier- und Taschenpartitur. Dirigierpartitur und Klavierauszug wurden beide im Monat April gedruckt. Die British Library erhielt ihre beiden Belegstücke am 2. Mai. Die Taschenpartitur erschien im Mai. Die British Library verzeichnete den Eingang des Pflichtexemplars mit Datum 1. Juni 1967. Die späteren Ausgaben erschienen ohne Endevermerke und noch später mit dem gekasteten Rechtsschutzvorbehalt >IMPORTANT NOTICE / The unauthorized copying / of the whole or any part of / this publication is illegal<. Das Stimmenmaterial war leihweise zu erhalten. Es darf angenommen werden, dass die entgegen der üblichen Rotfadenheftung für Dirigierpartitur und Klavierauszug (die Taschenpartitur-Erstausgabe ist geklammert) von Boosey vorgenommene Schwarzfadenheftung wie die Außentitelschriftfarbe farbsymbolische Bedeutung hatte. Schwarz als Sakralfarbe der Abwesenheit von Licht steht für alles, was in die Erde hineinweist und den Himmel noch nicht erreicht hat. Daher ist die liturgische Farbe schwarz beim katholischen Totenritual im Rahmen des jahrhundertealten kirchlichen Farbenkanons, der sich erst mit den Nachwirkungen des Zweiten Vatikanischen Konzils auflöste, die Tagesfarbe. Vermutlich aus demselben Grund könnte das übliche Grün der Spiegelfarbe der Taschenpartituren im vorliegenden Falle ins Schwarz hinein abgedunkelt worden sein. Eine Altersschwärzung der gemusterten Exemplare ist nicht wahrscheinlich. Der Verlag wählte für die Strawinsky-Ausgaben den Faden offensichtlich nach der Schriftfarbe des Umschlages. Die war überwiegend rot; Requiem canticles und Canticum sacrum dagegen haben schwarze Außentitel-Schriftfarben.
Historische Aufnahme: New York City 11. Oktober 1966 mit der Sopranistin Linda Anderson, der Altistin Elaine Bonazzi, dem Tenor Charles Bressler, dem Bassisten Donald Gramm, dem The Ithaca College Choir (Chorleiter: Gregg Smith), dem Columbia Symphony Orchestra unter der Leitung von Robert Craft; die Aufnahme weicht an einigen Stellen von der gedruckten Partitur ab, weil Strawinsky nach der Aufnahme noch korrigierte und die Korrekturen in die Druckfassung eingingen.
CD-Edition: XII/7-15.
Autograph: Bibliothek der Universität von Princeton.
Copyright: 1967 durch Boosey & Hawkes Music Publishers Ltd.
Ausgaben
a) Übersicht
106-1 1967 Dp; Boosey & Hawkes London; l; 40 S.; B. & H. 19518.
106-1Straw ibd. [mit Eintragungen].
106-2 1967 KlA; Boosey & Hawkes London; l; 24 S.; B. & H. 19546.
106-3 1967 Tp; Boosey & Hawkes London; l; 40 S.; B. & H. 19518; 825.
b) Identifikationsmerkmale
106-1 IGOR STRAVINSKY / REQUIEM CANTICLES / Full Score / BOOSEY & HAWKES // IGOR STRAVINSKY / REQUIEM CANTICLES / for Contralto and Bass Soli, / Chorus and Orchestra / Full Score / Boosey & Hawkes / Music Publishers Limited / London · Paris · Bonn · Johannesburg · Sydney · Toronto · New York // (Dirigierpartitur schwarzfadengeheftet 23,6 x 31 (4° [4°]); Singtext Latein; 40 [40] Seiten + 4 Seiten Umschlag stärkeres Papier schwarz auf graubeige [Außentitelei, 2 Leerseiten, Seite mit verlagseigener Werbung >Igor Stravinsky< Stand >No 40< [#] >7.65<] + 4 Seiten Vorspann [Innentitelei, Leerseite, Uraufführungshinweis > First performance: Princeton University, October 8th, 1966. / Conductor: Robert Craft.< + Vertonungstext lateinisch, Orchesterlegende >Orchestra< italienisch + Spieldauerangabe [15'] englisch + Transpositionsvermerk > All instruments are written at actual pitch / except Flauto piccolo, which sounds one octave / higher than written. <] ohne Nachspann; Kopftitel >REQUIEM CANTICLES<; Widmung oberhalb Kopftitel mittig zentriert kursiv > To the memory of Helen Buchanan Seeger <; Autorenangabe 1. Notentextseite paginiert S. 1 zwischen Kopftitel und [linksbündiger] Satzbezeichnung >PRELUDE< rechtsbündig zentriert > IGOR STRAVINSKY / 1965-66<; Rechtsschutzvorbehalt 1. Notentextseite unterhalb Notenspiegel linksbündig >© 1967 by Boosey & Hawkes Music Publishers Ltd.< rechtsbündig >All rights reserved / Tonsättning förbjudes<; Herstellungshinweis 1. Notentextseite unterhalb Notenspiegel unter Rechtsschutzvorbehalt rechtsbündig >Printed in England>; Platten-Nummer >B. & H. 19518<; Kompositionsschlussdatierung S. 40 neben letztem Takt Hornsystem quergesetzt >August 13, / 1966<; Ende-Nummer S. 40 rechtsbündig als Endevermerk >4. 67. E.<) // (1967)
* Angezeigt werden ohne Niederlassungsangaben zweispaltig ohne Editionsnummern und ohne Preisangaben >Operas and Ballets° / Agon [#] Apollon musagète / Le baiser de la fée [#] Le rossignol / Mavra [#] Oedipus rex / Orpheus [#] Perséphone / Pétrouchka [#] Pulcinella / The flood [#] The rake’s progress / The rite of spring° / Symphonic Works° / Abraham and Isaac [#] Capriccio pour piano et orchestre / Concerto en ré (Bâle) [#] Concerto pour piano et orchestre / [#] d’harmonie / Divertimento [#] Greetings°° prelude / Le chant du rossignol [#] Monumentum / Movements for piano and orchestra [#] Quatre études pour orchestre / Suite from Pulcinella [#] Symphonies of wind instruments / Trois petites chansons [#] Two poems and three Japanese lyrics / Two poems of Verlaine [#] Variations in memoriam Aldous Huxley / Instrumental Music° / Double canon [#] Duo concertant / string quartet [#] violin and piano / Epitaphium [#] In memoriam Dylan Thomas / flute, clarinet and harp [#] tenor, string quartet and 4 trombones / Elegy for J.F.K. [#] Octet for wind instruments / mezzo-soprano or baritone [#] flute, clarinet, 2 bassoons, 2 trumpets and / and 3 clarinets [#] 2 trombones / Septet [#] Sérénade en la / clarinet, horn, bassoon, piano, violin, viola [#] piano / and violoncello [#] / Sonate pour piano [#] Three pieces for string quartet / piano [#] string quartet / Three songs from William Shakespeare° / mezzo-soprano, flute, clarinet and viola° / Songs and Song Cycles° / Trois petites chansons [#] Two poems and three Japanese lyrics / Two poems of Verlaine° / Choral Works° / Anthem [#] A sermon, a narrative, and a prayer / Ave Maria [#] Cantata / Canticum Sacrum [#] Credo / J. S. Bach: Choral-Variationen [#] Introitus in memoriam T. S. Eliot / Mass [#] Pater noster / Symphony of psalms [#] Threni / Tres sacrae cantiones°< [° mittenzentriert; °° Titelfehler original].
106-1Straw
Strawinsky’s Exemplar ist auf dem Außentitel neben und unter > Full Score < in blau mit >IStr / April /° 67< [° Schrägstrich original] signiert und datiert und enthält Korrekturen.
106-2 IGOR STRAVINSKY / REQUIEM CANTICLES / Vocal Score / BOOSEY & HAWKES // IGOR STRAVINSKY / REQUIEM CANTICLES / for Contralto and Bass Soli, / Chorus and Orchestra / Vocal Score / Boosey & Hawkes / Music Publishers Limited / London · Paris · Bonn · Johannesburg · Sydney · Toronto · New York // (Klavierauszug mit Gesang schwarzfadengeheftet 23,2 x 30,9 (4° [4°]); Singtext lateinisch; 24 [22] Seiten + 4 Seiten Umschlag stärkeres Papier schwarz auf grüngrau [Außentitelei, 2 Leerseiten, Seite mit verlagseigener Werbung >Igor Stravinsky<* Stand >No. 40< [#] >7.65< + 2 Seiten Vorspann [Innentitelei; Seite mit Uraufführungshinweis > First performance: Princeton University, October 18th, 1966. / Conductor: Robert Craft.< +Vertonungstext lateinisch] ohne Nachspann; Kopftitel >REQUIEM CANTICLES<; Widmung oberhalb Kopftitel mittenzentriert kursiv > To the memory of Helen Buchanan Seeger <; Autorenangabe 1. Notentextseite paginiert S. 3 zwischen Kopftitel und [linksbündiger] Satzbezeichnung >PRELUDE< rechtsbündig zentriert > IGOR STRAVINSKY / 1965-66<; Rechtsschutzvorbehalt 1. Notentextseite unterhalb Notenspiegel linksbündig >© Copyright 1967 by Boosey & Hawkes Music Publishers Ltd.< rechtsbündig >All rights reserved / Tonsättning förbjudes<; Herstellungshinweis 1. Notentextseite unterhalb Notenspiegel unter Rechtsschutzvorbehalt rechtsbündig >Printed in England>; Platten-Nummer >B. & H. 19546<; ohne Kompositionsschlussdatierung; Ende-Nummer S. 24 rechtsbündig als Endevermerk >4. 67. E.<) // (1967)
* Angezeigt werden ohne Niederlassungsangaben zweispaltig ohne Editionsnummern und ohne Preisangaben >Operas and Ballets° / Agon [#] Apollon musagète / Le baiser de la fée [#] Le rossignol / Mavra [#] Oedipus rex / Orpheus [#] Perséphone / Pétrouchka [#] Pulcinella / The flood [#] The rake’s progress / The rite of spring° / Symphonic Works° / Abraham and Isaac [#] Capriccio pour piano et orchestre / Concerto en ré (Bâle) [#] Concerto pour piano et orchestre / [#] d’harmonie / Divertimento [#] Greetings°° prelude / Le chant du rossignol [#] Monumentum / Movements for piano and orchestra [#] Quatre études pour orchestre / Suite from Pulcinella [#] Symphonies of wind instruments / Trois petites chansons [#] Two poems and three Japanese lyrics / Two poems of Verlaine [#] Variations in memoriam Aldous Huxley / Instrumental Music° / Double canon [#] Duo concertant / string quartet [#] violin and piano / Epitaphium [#] In memoriam Dylan Thomas / flute, clarinet and harp [#] tenor, string quartet and 4 trombones / Elegy for J.F.K. [#] Octet for wind instruments / mezzo-soprano or baritone [#] flute, clarinet, 2 bassoons, 2 trumpets and / and 3 clarinets [#] 2 trombones / Septet [#] Sérénade en la / clarinet, horn, bassoon, piano, violin, viola [#] piano / and violoncello [#] / Sonate pour piano [#] Three pieces for string quartet / piano [#] string quartet / Three songs from William Shakespeare° / mezzo-soprano, flute, clarinet and viola° / Songs and Song Cycles° / Trois petites chansons [#] Two poems and three Japanese lyrics / Two poems of Verlaine° / Choral Works° / Anthem [#] A sermon, a narrative, and a prayer / Ave Maria [#] Cantata / Canticum Sacrum [#] Credo / J. S. Bach: Choral-Variationen [#] Introitus in memoriam T. S. Eliot / Mass [#] Pater noster / Symphony of psalms [#] Threni / Tres sacrae cantiones°< [° mittenzentriert; °° Titelfehler original].[#]
106-3 HAWKES POCKET SCORES / ^IGOR STRAVINSKY / REQUIEM CANTICLES^ / BOOSEY & HAWKES / No. 825 // HAWKES POCKET SCORES / IGOR STRAVINSKY / REQUIEM CANTICLES / for Contralto and Bass Soli, / Chorus and Orchestra / BOOSEY & HAWKES / MUSIC PUBLISHERS LIMITED / London · Paris · Bonn · Johannesburg · Sydney · Toronto · New York / MADE IN ENGLAND [#] NET PRICE // (Taschenpartitur klammergeheftet 14 x 18,6 (8° [8°]); Singtext Latein; 40 [40] Seiten + 4 Seiten Umschlag stärkeres Papier schwarzdunkelgrün auf dunkelbeige [Außentitelei mit Spiegel 9,9 x 3,9 dunkelbeige auf schwarzdunkelgrün, 2 Leerseiten, Seite mit verlagseigener Werbung >HAWKES POCKET SCORES / The following list is but a selection of the many items included in this extensive library of miniature scores / containing both classical works and an ever increasing collection of outstanding modern compositions. A / complete catalogue of Hawkes Pocket Scores is available on request.<* Stand >No. I6< [#] >I.66<] + 4 Seiten Vorspann [Innentitelei, Leerseite, Seite mit Uraufführungshinweis teilkursiv > First performance: Princeton University, October 18th, 1966. / Conductor: Robert Craft.< + Vertonungstext lateinisch, Seite mit Orchesterlegende >Orchestra< italienisch + Spieldauerangabe [15'] englisch + Transpositionsvermerk kursiv > All instruments are written at actual pitch / except Flauto piccolo, which sounds one octave / higher than written. <] ohne Nachspann; Kopftitel >REQUIEM CANTICLES<; Widmung oberhalb Kopftitel mittig kursiv > To the memory of Helen Buchanan Seeger <; Autorenangabe 1. Notentextseite paginiert S. 1 zwischen Kopftitel und linksbündiger Satzbezeichnung >PRELUDE< rechtsbündig zentriert > IGOR STRAVINSKY / 1965-66<; Rechtsschutzvorbehalt 1. Notentextseite unterhalb Notenspiegel linksbündig >© Copyright 1967 by Boosey & Hawkes Music Publishers Ltd.< rechtsbündig >All rights reserved / Tonsättning förbjudes<; Herstellungshinweis 1. Notentextseite unterhalb Notenspiegel unter Rechtsschutzvorbehalt rechtsbündig >Printed in England<; Platten-Nummer >B. & H. 19518<; Kompositionsschlussdatierung S. 40 neben letztem Takt quergesetzt >August 13, / 1966<; Ende-Nummer rechtsbündig >5. 67. E.<) // (1967)
* Angezeigt werden ohne Editionsnummern dreispaltig Kompositionen von >Bach, Johann Sebastian< bis >Tchaikovsky, Peter<, an Strawinsky-Werken >Stravinsky, Igor / Abraham and Isaac / Agon / Apollon musagète / Concerto in D / The flood / Introitus / Oedipus rex / Orpheus / Perséphone / Pétrouchka / Piano concerto / Pulcinella suite / The rake’s progress / The rite of spring / Le rossignol / A sermon, a narrative and a prayer / Symphonie de psaumes / Symphonies of wind instruments / Threni / Variations<. Es ist keine Niederlassungsfolge angegeben.
K Catalog: Annotated Catalog of Works and Work Editions of Igor Strawinsky till 1971, revised version 2014 and ongoing, by Helmut Kirchmeyer.
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